22.09.06 - 24.09.06 Urikranz (Teil 2) (hammerhai) |
Vom Urserental ins Göschenertal
Hallo zusammen,
ich habe mich mit Yvonne am Freitagmorgen auf dem Bahnhof in Basel getroffen. Der vollbesetzte Zug nach Zürich fährt pünktlich los. In Zürich steigen wir in den Zug Richtung Tessin. Allerdings werden wir diesmal nicht durch die Alpen fahren, sondern auf der Nordseite des Gotthards wieder aussteigen. Kurz vor Göschenen muss der Zug einen unplanmässigen Stop einlegen. Hoffentlich verpassen wir nicht unseren Anschlusszug in Göschenen, sonst müssen wir eine Stunde warten. In Göschenen werden wir mit einer Lautsprecherdurchsage empfangen, doch bitte so schnell wie möglich in den Zug nach Andermatt umzusteigen. Nach einer kurzen Fahrt steigen wir in Realp aus, wo auch schon das Alpentaxi auf uns wartet. Es bringt uns zum Parkplatz (Tätsch, Pt. 2272) etwas oberhalb des Hotel Tiefenbach. Wir haben eine tolle Aussicht auf den Furkapass, die Furkahörner, die Bielenhörner, Galenstock, Tiefengletscher und Gletscherhorn.
Der Wanderweg zur Albert Heim Hütte beginnt gleich hinter dem Parkplatz. Auf breitem Weg marschieren wir also los um ihn nach etwa 1 km wieder zu verlassen. Wir wollen über den Schafberg zur Hütte wandern und nehmen darum den Weg der rechts hinauf führt. Ein bisschen steiler laufen wir auf gut sichtbarem Weg über Alpwiesen zum Gipfelkreuz hinauf. Unterwegs machen wir öfters kurze Pausen, weil es immer wieder zwischen den Steinen glitzert und funkelt. Wir finden einige Kristallbruchstücke. Auf dem Schafberg angekommen, machen wir eine längere Mittagsrast und geniessen die Rundsicht auf die umliegenden Gipfel. Nach Westen zum Chli Bielenhorn, Gross Bielenhorn, Galenstock, Gletscherhorn und Winterstock (von links nach rechts)
Nördlich und östlich zum Lochberg, Blauberg, Müeterlishorn, Oberalppass und Gemsstock. Auch die Lochberglücke, unser morgiges "Gipfelziel" ist gut sichtbar.
Nach Südenwesten der Witenwassernstock, Leckihorn, Pizzo Rotondo und die Muttenhörner, die Gegend in der ich während meiner ersten Urikranzwanderung unterwegs war
Bald müssen wir aber wieder weiter, denn wir wollen am Nachmittag noch eine Wanderung zum Tiefengletscher machen. Bei der Hütte angekommen, packen wir das überzählige Gepäck aus dem Rucksack und trinken etwas auf der Aussichtsterrasse der Hütte. Von hier können wir auch die Gegend überblicken, die wir am Nachmittag erwandern möchten.
Auf die Felskuppe (Pt. 2713) unterhalb des Galenstock, neben dem Gletscher, möchten wir steigen. Der Weg dahin führt über einen Teil der alpinen Route zum Galenstock. Wir laufen hinunter zur Wegkreuzung wo sich der Nepali-Highway und der Urschner Höhenweg treffen und marschieren auf Wegspuren Richtung Nordwesten. Nun sehen wir die Anhöhe deutlich vor uns.
Den Winterberg im Rücken überqueren wir die Schwemmebene und das Gletschervorfeld und steigen über Blockschutt und vom Gletscher geschliffene Felsen, meistens weglos aber gut mit Steinmannli markiert
zu einer ersten Anhöhe, die etwas unterhalb des Pt. 2713 liegt. Gut sichtbar sind die Untere Bielenlücke, links im Bild und die beiden "Kamele", zwei für Bergsteiger von der Sidelenhütte erreichbare Felsformationen.
Von hier überblicken wir die Ebene zwischen Sunnig Berg und der Endmoräne, die vor langer Zeit vom Gletscher des Winterhorn aufgeschüttet wurde. In der Mitte der Schafberg und im Hintergrund der Gemsstock oberhalb von Andermatt und Teile der Tessiner Alpen.
Von hier ist es nur noch ein kurzer Fussmarsch und wir stehen am westlichen Rand dieses namenlosen "Gipfels". Endlich haben wir freie Sicht auf das Gross Bielenhorn, die Obere Bielenlücke den Galenstock und den unter uns dahinfliessenden Tiefengletscher.
am Südrand sehen wir die Fortsetzung des Gletschers, das Kleine Bielenhorn, die untere Bielenlücke und im Hintergrund die markante Pyramide des Pizzo Lucendro
und zu guter Letzt laufen wir auch noch zum Ostrand, wo wir das Ende des Gletschers mit dem Gletschervorfeld sehen können. Schafberg und Chräiennest und im Hintergrund Gemsstock und Pizzo Lucendro vervollständigen dieses grandiose Panorama.
Da wir nicht auf dem gleichen Weg zurück wollen, steigen wir vom Ostrand hinunter. Das es weglos ist und keine Markierungen hat, muss der Abstieg vorsichtig und mit viel Übersicht angegangen werden. Der Abstieg endet am Gletschervorfeld, wo wir uns auch noch die Zeit nehmen, ein Stück auf dem Gletscher hinauf zu laufen.
Da die Sonne langsam hinter dem Galenstock verschwindet, machen wir uns über die Schwemmebene des Gletschers auf den Rückweg. Bald treffen wir auf den Nepali-Highway und sind wieder auf dem markierten Wanderweg zur Hütte. Gemütlich setzen wir uns auf die Terrasse und warten auf ein Zeichen des Hüttenwarts, dass das Abendessen zubereitet ist.
2. Tag:
Heute steht uns der anspruchsvolle und schwierigste Teil dieser Wanderung bevor, der Aufstieg zur Lochberglücke, der Abstieg zum Göscheneralpsee und zu guter Letzt nochmals ein kurzer aber happiger Aufstieg zur Dammahütte. Zeitig marschieren wir los, zuerst zur Weggabelung und dann auf dem Urschner Höhenweg Richtung Andermatt. Oberhalb des Quellgebiets
des namenlosen Baches, der bei Realp in die Furkareuss mündet, auf der Karte bei Pt. 2381, beginnt der alpine Weg zur Lochberglücke. Nach einem kurzen Aufstieg erreichen wir eine Ebene mit kleinen Tümpeln und Bachläufen,
auf der wir eine kleine Pause machen. Von hier führt der Weg wieder flacher weiter um dann steil auf eine Anhöhe aufzusteigen. Auf dem Foto sieht der Aufstieg nicht grad happig aus,
aber als wir oben ankommen sind wir recht ausser Puste und müssen eine weitere Pause einlegen. Wir treffen hier oben zwei Bergsteiger die uns zulachen und meinen, sie wären auch ein bisschen kurzatmig hier angekommen. So nehmen wir uns genügend Zeit, die Ostseite des Winterstock mit seinen bizarren Gipfeln und
Richtung Süden schauen wir auf die Nord- und Ostflanke des Schafberg und die 3000er Gipfel auf der Südseite des Urserentals.
Von hier aus können wir unsere Wanderstöcke zusammenpacken, denn für das restliche Stück zur Lochberglücke brauchen wir auch unsere Hände um vorwärts zu kommen. Weglos, über Blockschutt und teilweise grosse Felsklötze
gewinnen wir Meter um Meter an Höhe. Die letzten Wegmeter bis zum Übergang laufen wir wieder auf Wegspuren und dann haben wir es endlich geschafft, zumindest den Aufstieg zur Lücke.
Denn wir wussten damals noch nicht, dass der Abstieg zur Göscheneralp einiges happiger werden würde. Aber zuerst einmal war eine gemütliche Znünipause angesagt. Lange konnten wir nicht verweilen, denn wir wussten dass es eine lange Etappe werden würde. Also machten wir uns auf den Abstieg.
Weglos balancierten wir uns vorsichtig von Stein zu Stein, über nicht grad stabilem Blockschutt musste jeder Schritt wohl überlegt sein. Über ein kleines Eisfeld und vorbei an einem kleinen Gletscher,
der seinen Ursprung bei der Älpergenlücke hat, ging es stetig hinunter bis das Tal einen scharfen Linksknick machte. Für dieses etwa 1 km lange Wegstück brauchten wir fast eine Stunde. Beim Blick zurück sieht das ganze ja auch etwas happiger aus, als von der Lochberglücke her gesehen.
Von hier konnten wir nun einen Teil der Gipfel um die Göscheneralp sehen. Das vergletscherte Sustenlimihorn, Hoch Horeffelistock und Bergseeschijen, die die nordöstliche Begrenzung des Chelenalptals bilden, sowie die Gipfel des Voralptals.
Nach einer kurzen Pause marschierten wir weiter. Immer noch stetig bergab stiegen wir weiter weglos hinunter. Das Gelände wurde immer heikler, da wegen des Treibhauseffekts der Permafrost auftaut konnten wir uns nicht mehr darauf verlassen, dass der nächste Stein auf den wir den Fuss setzten wollten unser Gewicht auch wirklich tragen würde und nicht einfach wegrutscht. Es gab ein paar Schreckmomente bis wir wieder flacheres Gelände erreichten. Das war definitiv der schwierigste Teil! Auch der Blick hinauf, wie auf dem nächsten Foto, lässt hohe Anforderungen an die Trittsicherheit erahnen.
Das restliche, flachere Stück bis zum dem kleinen azurblauen See könnte man dann schon fast als "Peanuts" bezeichnen.
Endlich konnten wir eine Mittagsrast machen und den weichen Knie ein bisschen Erholung gönnen, denn es lag nochmals ein 600 Höhenmeter Abstieg zum Göscheneralpsee vor uns.
Aber zuerst geniessen wir die herrliche Aussicht ins Göschenertal und die bizarren Felsformationen des Müeterlishorn und der Feldschijen.
Weiter gehts, zuerst noch leicht absteigend über Alpwiesen, bevor es dann steil hinunter geht. In unzähligen engen Kehren kommen wir dem See immer näher. Wir können auch ein paar Gipfel, auf der Ostseite des Reusstals, durch den Dunst erkennen.
Bevor wir den See erreichen, können wir auch den hinteren Teil des Göscheneralpsees und das Chelenalptal überblicken.
Endlich erreichen wir den Wanderweg der rund um den Göscheneralpsee führt. Noch 2 Stunden bis zur Dammahütte steht da geschrieben. Ein Blick auf die Uhr sagt uns, dass wir kurz vor dem Abendessen bei der Hütte eintreffen werden. Auf dem gut ausgebauten Wanderweg entlang der Flanke des Höhenberg gehts also weiter. Und bald einmal können wir auch die Gipfel im Tal der Dammareuss sehen. Auch die Hütte können wir von hier erkennen. Unterhalb des Moosstock, das ist der Gipfel ganz rechts auf dem Foto, thront die Hütte auf der obersten Anhöhe.
Nachdem wir die Dammareuss über eine Brücke überquert haben, steht uns also noch der Schlussaufstieg zur Dammahütte bevor. Wenn die Beine nach einem langen Tag schon müde sind, geht auch ein kleiner Aufstieg an die Substanz. Entsprechend abgekämpft erreichen wir nach etwas mehr als 9 Stunden die Hütte. Wir haben grad noch Zeit die Wanderschuhe zu versorgen und unsere Betten zu richten, da ruft der Hüttenwart schon zum Abendessen. Nach dem Essen haben wir endlich Zeit uns die Gipfel um den Dammastock und den Gletscher richtig anzuschauen.
Als die Ersten fallen wir todmüde in unsere Betten und schlafen bald ein.
3. Tag:
Leider war der Schlaf nur von kurzer Dauer, denn mein Nachbar schnarcht mir die ganze Nacht direkt ins Ohr. So schliesse ich mich der Bergsteigergruppe an, die schon frühmorgens losmarschieren will. Natürlich gehe ich nur mit ihnen in den Speisesaal um einen Kaffee zu trinken :-). Ich schaue ihnen noch nach, bis ich das Licht ihrer Stirnlampen nicht mehr sehen kann und steige wieder in den Schlafsaal hinauf. Vielleicht kann ich ja doch noch ein bisschen schlafen. Oh Schreck, meine Nachbarn, links und rechts, haben sich in der Zwischenzeit auf meinem Schlafplatz breit gemacht. Ich zwänge mich dazwischen, denn der Hüttenwart ist auch wieder schlafen gegangen und somit habe ich keine Möglichkeit bei einem weiteren Kaffee die Zeit bis zum Frühstück zu überbrücken. So stehe ich mit der nächsten Gruppe wieder auf und schaue mir den Sonnenaufgang an.
Da die Yvonne auch nicht grad viel geschlafen hat, beschliessen wir am Frühstückstisch es heute gemütlich zu nehmen. Anstatt an der Flanke des Moosstock ins Chelenalptal abzusteigen, marschieren wir auf dem gleichen Weg, auf dem wir hinauf gekommen sind, wieder ins Tal der Dammareuss hinunter. Während des Abstiegs können wir uns also Zeit lassen um uns richtig umzuschauen. Obwohl die Sonne immer wieder von Wolken verdeckt wird, die der Föhn nicht vertreiben kann, zeigen sich der Tiefenstock und der Rhonestock im schönen Morgenlicht. Das Ende des Gletschers liegt aber meistens im Schatten der Wolken.
Weil wir ja jetzt genug Zeit haben, wollen wir bei der Brücke zum Gletschertor laufen. Entlang der frei fliessenden Dammareuss
erreichen wir nach einer knappen Stunde das Ende des Gletschers. Wir stehen dort einer mächtigen Wand aus Eis, etwa 16 m hoch und 100 m breit. Als Grössenvergleich ist die Yvonne so nahe als möglich zum Gletscher gelaufen. Viel näher können wir nicht gehen, lösen sich doch immer wieder grosse Steine und Eisstücke ab.
Aus der grossen Öffnung, ich könnte wohl locker darin stehen ohne mir den Kopf anzuschlagen, fliesst die Dammareuss
und sucht sich immer wieder einen neuen Weg durch das Gletschervorfeld.
Wir wissen nicht wie lange der Föhn die Regenwolken rund um uns herum zurückhält und so laufen wir wieder zurück zur Brücke. Auf dem Rundwanderweg steigen wir zum See hinunter und finden dort, wo die Chelenreuss in den Göscheneralpsee mündet einen kleinen Strand. Zeit für eine Mittagsrast und ein ausgiebiges Sonnenbad.
Von hier können wir auch gut beobachten, wie der Föhn die Wolken daran hindert, ins Göschenertal einzudringen.
Bevor wir auf dem Rundweg zur Staumauer laufen, wollen wir noch einmal ins Chelenalptal schauen. So laufen wir noch ein kurzes Stück auf dem Weg zur Chelenalphütte hinauf. Was für ein schönes Tal! Ich werde es nächstes Jahr, bei der Fortsetzung des Urikranz durchwandern können. Wieder zurück auf dem Rundweg, laufen wir stetig ansteigend oberhalb des Sees, nach Osten.
Bevor wir wieder auf Seehöhe absteigen kommen wir an einer schönen Moorlandschaft vorbei.
Nach dem kurzen Abstieg setzen wir uns beim Restaurant auf die Terrasse. Der Föhn beginnt aber schnell einmal zu schwächeln und es wird unangenehm kalt ohne die wärmende Sonne. So warten wir bis zur Abfahrt des Busses in der warmen Gaststube. Entlang der Göschener Reuss fährt der Bus das Tal hinunter und in Göschenen steigen wir in den Zug nach Basel ein. Es war eine grandiose Wanderung, die mir auch meine Leistungsgrenzen aufgezeigt hat. Yvonne, danke fürs mitwandern, du warst eine tolle Begleitung.
Grüssli
Thomas alias Hammerhai