05.06.12 Durch den Goldauer Bergsturz / Direttissima Goldau -> Gnipen - Wildspitz - Sattel (Beat) |
Heute Dienstag bin ich nach Arth-Goldau gefahren und von dort aus durch das Goldauer Bergsturzgelände zum Rossberg mit Gnipen und Wildspitz aufgestiegen. Ich wählte eine Route direkt durch das Abbruchgebiet des Bergsturzes von Goldau, der am 2. September 1806 die Dörfer Röthen, Buosingen und Goldau zerstört und 457 Menschen getötet hat.
Martha, Maya und Pia haben eine Wanderung mit der gleichen Direttissima-Aufstiegsroute für den 16. Juni 2012 geplant. Siehe FF-Event: 16.06.12 / Rossberg: Arth-Goldau - Gnipen - Wildspitz - Halsegg - Sattel
NACHTRAG: Der Blog zur Wanderung vom 16.06.12 unter http://www.freizeitfreunde.ch/blogs/472
Weitere Bilder in meinem Picasa-Webalbum:
https://picasaweb.google.com/106092147151904821590/GoldauerBergsturz050612
Heutige ROUTE: Goldau (Bahnhof Arth-Goldau: 510m) - Zähniweg durch Schuttwald - Wegpunkt 655 - Abzweigung Gribsch - Weg durch Abbruchgebiet - Gnipen (West: 1533m) - Gnipen (1567m) - Wildspitz (1560m) - Punkt 1521 - Langmatt (1544m) - Halsegg (1341m) - Schornenrain (1024m) - Hageggli (808m) - Bahnhof Sattel-Ägeri (772m)
Route auf swisstopo mit http://map.schweizmobil.ch:
Streckenlänge ca. 17km; 1200m aufwärts, 950m abwärts:
Um 09:15 starte ich die Wanderung beim Bahnhof Arth-Goldau; um 12:30 habe ich das Bergsturzgebiet durchquert und komme auf dem Gnipen an. Um 15:15 erreiche ich den Bahnhof Sattel-Ägeri, von wo aus ich nach Arth-Goldau zurückfahre:
ANMERKUNG: Weil für das Tessin, im Gegensatz zur Alpennordseite, ganztags wolkenloser Himmel angekündigt war, habe ich mich beinahe für eine Tessinwanderung entschieden. Zum Glück bin ich beim "Goldauer-Bergsturz" geblieben, sonst wäre ich prompt in den "Gotthard-Felssturz" hinein geraten! Bereits in Zürich HB musste ich aus unbekannten Gründen in einen Ersatzzug Richtung Arth-Goldau / Tessin einsteigen. Für diesen Zug hiess es in Arth-Goldau: BITTE NICHT EINSTEIGEN. Am Abend habe ich dann erfahren, dass um 9 Uhr ein Felssturz bei Gurtnellen die Gotthard-Bahnstrecke blockiert hat:
Gotthard-Linie bleibt über zwei Wochen gesperrt
In Gurtnellen krachten am Dienstag um 9 Uhr mehrere Tonnen Steine auf die Gleise. Die Gotthard-Strecke bleibt längere Zeit unterbrochen. Ein Bauarbeiter ist höchstwahrscheinlich tot. Es drohten weitere Abbrüche.
Die Folgen des Felssturzes auf die Gotthard-Strecke der SBB bei Gurtnellen im Urner Reusstal sind grösser als erwartet. Die Gotthard-Nordrampe bleibt längere Zeit gesperrt. «Die Strecke bleibt wohl mehr als 14 Tage geschlossen», sagt SBB-Sprecherin Lea Meyer gegenüber Tagesanzeiger.ch/Newsnet.
Das Problem: Im Moment könne wegen der labilen Hanglage nicht mit den Aufräumarbeiten begonnen werden. «Wenn sich der Fels auch in den nächsten Tagen noch bewegt, wird es schwierig, die Linie zu reparieren», sagt Meyer. «Niemand hat mit einem Abbruch gerechnet. Er war nicht voraussehbar», so die SBB-Sprecherin.
Das Felsmaterial im Umfang von 2000 bis 3000 Kubikmetern hat die Gleisgeometrie stark in Mitleidenschaft gezogen sowie mehrere Fahrleitungsmasten und eine Stützmauer beschädigt.
Der seit über 200 Jahren arg lädierte Rossberg über Goldau und seine Bergsturzschneise sind am Vormittag noch tief wolkenverhangen. (Entgegen der Wolkenprognose wird sich das leider auch am Mittag nicht ändern, ich werde oben im dichten Nebel landen.):
Erst am späteren Nachmittag verziehen sich die Wolken über dem Rossberg. Und bei der Rückkehr nach Arth-Goldau (um 16 Uhr) habe ich aus dem Zug heraus diesen immer wieder beeindruckenden Überblick auf die Abbruch- und Gleitflächen am Rossberg:
Die unscheinbare Abzweigstelle zum Aufstiegsweg. Die "10" bezieht sich auf den "Zähniweg" (keine Ahnung, warum dieser Weg so heisst!):
Es folgen nun über rund drei Kilometer Horizontaldistanz volle 1000 Höhenmeter steiler, beinahe geradliniger Aufstieg (links aussen auf dem Kartenausschnitt ist der Wanderweg zu erkennen, der ausserhalb des Abbruchgeländes ebenfalls zum Gnipen hochführt):
Wenigstens einen Vorteil hat das aktuell neblige und kühle Wetter:
Die Temperatur ist ideal für eine 33%-Steigung über einen Südhang!
Der Weg führt durch urwaldartige dichte Vegetation:
Ich erkundige mich beim Wanderpaar vor mir, auf welchem Weg sie zum Gnipen unterwegs sind. Zuerst habe ich den Eindruck, dass sie auch den Weg durchs Abbruchgebiet nehmen wollen. Aber als ich ihn auf der Karte zeige, stelle ich fest, dass sie nicht im Traum daran denken, diesen Weg zu wählen. Sie werden weiter oben, vermutlich bei Ober Spitzbüel, auf den äusseren Weg hinüber wechseln. Die Frau sagt mir noch, ich müsse auf die wunderschönen Blumen in diesem Gebiet achten, besonders auf die Orchideen, ....
.... und schon bald treffe ich die ersten Exemplare an:
HINWEIS: Im Buch "Blütenwanderungen in der Schweiz" von Sabine Joss (AT Verlag 2008) ist auf Seite 61ff der Beitrag "Frauenschuh bei Arth-Goldau. Vielfältige Eindrücke im Bersturzgelände des Rossberges".
Infos der "Orchideenfreunde Innerschweiz": Goldauer Bergsturz / Sonderwaldreservat der Schweiz
Grüne Waldhyazinthen:
Der Weg führt vorbei an riesigen vermoosten Nagelfluhblöcken:
Beim Kartenpunkt 655 erreiche ich die Querverbindung Härzig <-> Unter Grisselen. Ich mache hier einen kurzen Abstecher zur östlich gelegenen Bach- und Geröllschneise, aus der erstmals Hoch- und Tiefblicke möglich sind:
Die wirkliche Steilheit dieser Geröllschneise kommt auf diesem Bild nicht richtig zum Ausdruck:
Neuer Schlipfsturz im Goldauer Bergsturz
Die Unwetter vom 21.-23. August 2005 haben das Aussehen des Rossberghanges nachhaltig verändert. Im Gebiet westlich des Gribsch auf rund 1000 m. ü. M. sind am Abend des 22. August etwa 100'000 - 200'000 Kubikmeter Hangmasse in Bewegung geraten und haben die darunter liegenden Wälder zerstört. Das Ereignis hat in einem unbewohnten Gebiet stattgefunden, deshalb sind glücklicherweise keine Personenschäden zu beklagen.
Der Schlipfsturz fand in den gleichen geologischen Formationen statt, welche vor 200 Jahren zum Goldauer Bergsturz geführt haben. Die Sturzmasse ist aber rund 1000 mal kleiner als jene von 1806. Dennoch dürfte dieses spektakuläre Ereignis vom August 2005 wohl der grösste Nachsturz sein, der im Goldauer Bergsturz je stattgefunden hatte.
Quelle: http://www.goldauerbergsturz.ch/Unwetter2005.htm
Tiefblick auf Lauerz am Lauerzer See:
Nach den Regenfällen der vergangenen Tage sind immer wieder kleine Bäche und Wasserlachen zu durchqueren; manchmal ist nicht ganz klar, ob ich mich auf einem Weg oder eher in einem Bachbett fortbewege:
Ich treffe auf die ersten bezaubernden Frauenschuh Exemplare, eine bis zu 50 cm hohe Orchideenart mit frauenschuhförmigen Blüten:
Die obere Querverbindung Ober Spitzibüel <-> Gribsch; hier muss man sich entscheiden, ob man durch das Abbruchgelände weiter zum Gnipen aufsteigen will oder auf den äusseren Weg hinüber (nach links) wechseln will; nach rechts führt der Weg zur Bergwirtschaft Gribsch:
Auch auf diesem querverlaufenden Weg (in Richtung Gribsch) mache ich einen kurzen Abstecher für einen Hoch- und einen Tiefblick:
Der Hochblick zeigt, dass ich bald in den Wolken verschwinden werde:
Tiefblick in Richtung Goldau:
Hoffentlich kommt weiterhin bloss Wasser vom Berg runter:
Bei dieser Abzweigstelle beschliesse ich, den "Abbruch-Weg" (quasi die "Direttissima") zu begehen, will aber umkehren, sobald es mir zu gefährlich werden sollte. Ich habe keine Ahnung, was mich weiter oben alles erwartet; bisher hätte ein Ausrutschen auf dem feuchten Weg jedenfalls noch keinen Absturz zur Folge gehabt:
Durchblick zur gegenüberliegenden östlichen Felsbruchschneise:
Die Vegetation lichtet sich:
Ich muss zugeben, etwas unheimlich wird's mir in dieser Umgebung schon und der Nebel rundum sorgt auch nicht für Heiterkeit aber er verhindert .........
...... der Nebel verhindert schwindelauslösende Tiefblicke:
Das nahe Schafgebimmel, das über den eingenebelten Abgrund herüber dringt, wirkt ein wenig beruhigend:
An solchen Stellen ist Ausrutschen verboten, zum Glück ist der Weg hier griffig; doch ich rechne nun Meter für Meter damit, .......
.... ich rechne damit, dass ich nach der nächsten Wegkehre oder nach einem nächsten Felsblock umkehren muss:
Häufige Frauenschuh-Anblicke ersetzen die fehlenden Sonnenstrahlen:
Auf diesen Bildern sieht's gefährlicher aus als es in der Wirklichkeit ist, doch eine gewisse "Schwindelarmut" ist hier sehr von Vorteil:
Anscheinend bin ich nicht das erste menschliche Wesen, das hier vorbeikommt:
Ganz kurz unterhalb des Gnipen-Gipfels löst diese Wegmarkierung am Nagelfluhfels bei mir ziemliche Ratlosigkeit aus; auf Anhieb kann ich mit dem besten Willen keine vernünftige Wegfortsetzung erkennen. Nach rechts landet man in einem Rutschhang. Ich versuche es felskletternd geradeaus links an der Markierung vorbei, kehre aber bald wieder um, weil ich dabei Angst vor dem Ausrutschen bekomme. Ich denke ernsthaft ans Umkehren - und das wenige Meter vor dem Ziel!? Nachfolgende Wegmarkierungen kann ich weiter oben auch keine erkennen. Schliesslich habe ich den Eindruck, dass etwas weiter links von dieser Wegmarkierung ein unmarkierter Aufstieg möglich sein könnte und der gelingt mir in der Folge glücklicherweise auch:
Auf der GPS-Aufzeichnung ist diese heikle Stelle kaum zu lokalisieren. Möglicherweise hätte ich weiter unten bereits ein wenig weiter nach links ausweichen können. Aber in diesem Felssturzgebiet gibt es vermutlich keine definitiv-optimale Wegspur, die über längere Zeit erhalten bleibt; nach jedem Unwetter sieht's hier möglicherweise wieder ein wenig anders aus und alte Wegmarkierungen werden unbrauchbar:
Weiter oben stosse ich wieder auf eine deutliche Wegspur mit rot-weissen Markierungen:
Für geschätzte dreissig Sekunden zeigt sich nun sogar ein schwach bläulicher Himmel:
Um 12:30 erreiche ich wohlbehalten den eingenebelten Gnipen:
Vorerst ist es "Gnipen (West) 1533m" (der eigentliche Gipfel liegt noch etwas weiter oben und mehr östlich):
Weitere INFOS zur "Bergsturzspur" unter: http://www.bergsturzspur.ch/
Auf dem Gnipen-Gipfel herrscht dichter Nebel ..... und überraschenderweise auch Grossandrang:
Eine SAC-Seniorengruppe (inkl. Hund) aus dem Aargauischen ist kurz vor mir von der Ägeriseite her angekommen:
Gemeinsam geht's weiter in Richtung Wildspitz:
Um 13 Uhr sind wir beim Bergasthaus Wildspitz, das heute Dienstag allerdings geschlossen hat. Die SACler halten auf der Wildspitz-Terrasse Mittagsrast:
Direktlink zur Webcam -> Wildspitz-Webcam
Ich steige vom Wildspitz in Richtung Halsegg - Sattel ab, wo ich um 15:15 auf dem Bahnhof Sattel-Ägeri eintreffen werde:
Auf einen Bericht über den (keinesfalls langweiligen) Abstieg verzichte ich hier; die Bilder dazu können im Picasa-Webalbum nachgeschaut werden.
Ich hoffe, dass wir für die Rossberg-Wanderung am kommenden 16. Juni mehr Sonne (aber trotzdem keine Gluthitze) und etwas trockenere Wege antreffen werden als dies heute der Fall gewesen ist. Beat
dallostogabi 11.06.12: | Sali Beat Danke für diesen interessanten Blog. |